Das Verderben kommt leider oft zuckersüß daher und gibt sich naiv. Das zeigen uns zwei Journalistenschülerinnen von Springer bei YouTube, die sich aufgemacht haben, um von den anderen Zeitungen eine Blattkritik für ihre Welt-Kompakt einzuholen:
Ich schätze mal man würde die Springer-Presse freundlicher empfangen, wenn man nicht befürchten müsste komplett verarscht zu werden. So wissen wir alle Dank der Recherche von Günter Wallraff, dass bei Springer unsauber gearbeitet wird.
Im Schlusswort zu ihrem Beitrag meinen die beiden Schülerinnen dann, dass Journalisten flexibel sein sollten und es leider nicht sind, weil niemand auf ihr Spielchen eingegangen ist. Dazu würde mich ja mal interessieren, wie flexibel man bei Springer auf so eine Sache reagieren würde? Traut sich aber wieder keiner, weil jeder weiß, dass Springer gerne seine Anwälte aussendet.
Folgendes habe ich bei Springer selber erlebt, was zeigt wie flexibel man dort ist. Ich lief etwas ziellos durch Berlin und stand plötzlich ungewollt vor dem Springer-Verlag. Da wollte ich spontan ein Foto machen, weil ich dachte sowas kann man immer mal gebrauchen damit ich mich immer erinnere, wo ich niemals arbeiten werde. Ich zog also meine Kamera und da kam sofort jemand heraus aus dem Gebäude und folgendes Gespräch entwickelte sich (aus dem Gedächtnis wieder gegeben):
„Sie dürfen hier nicht fotografieren!“
„Das ist hier öffentlicher Raum, da darf ich alles fotografieren!“
„Nein, dieser Vorplatz gehört zum Gebäude und da dürfen sie nicht fotografieren!“
„Dieser Vorplatz ist nicht abgesperrt und ich sehe hier nirgendwo Hinweise, dass ich nicht fotografieren darf. Abgesehen davon ist mir auch gar nicht klar, warum ich es nicht tun sollte.“
„Ich weise sie hiermit nachdrücklich an, diesen Bereich zu verlassen!“
Während des Gespräches machte ich mein Foto und verzog mich dann. Aber schon merkwürdig wie man bei Springer auf ein Foto von einer öffentlichen Häuserwand reagiert. Was machen die eigentlich wenn das Google-StreetView-Auto bei denen vorbeifährt?
Da ich selbst in einer kleinen Online-Redaktion arbeite, habe ich mich gefragt wie ich auf die beiden Schülerinnen von Springer reagiert hätte. (Natürlich sind wir viel zu unbedeutend, sodass es nur theoretische Überlegungen sind.)
Der Pförtner von der TAZ reagiert ja recht unsympathisch, indem er sofort die Kamera verbietet, auch wenn dies sein gutes Recht ist. Da waren die anderen Pförtner schon professioneller und kamen freundlich und hilfsbereit rüber.
Also hier die Anleitung, wie man suverän auf so eine Springer-Überfall-Attacke reagiert. Zuerst mal muss man immer freundlich bleiben. Zynismus ist erlaubt aber immer freundlich verpackt. Dann die beiden erst mal von der Sekretärin aufhalten lassen. Man selbst ist gerade in einem wichtigen Gespräch, freut sich aber über den Besuch und hat gleich Zeit für das Interview. Dann schnell ein paar Fakten über Springer recherieren im Internet. Das Problem ist, dass es über Springer so viel gibt, was die falsch machen, dass man da leicht übertreiben kann. Besser ist es wenn man ein paar konkrete Fälle sicher ansprechen kann. Die Beiden haben ja sowieso keine Ahnung. Dann schnell einen Kollegen mit Filmkamera auftreiben, damit man selber alles auf Film hat. Springer könnte das Interview später so schneiden, dass es für einen selber ungünstig aussieht. Dann ist es besser wenn man selber Beweismaterial hat. Dann die beiden hereinbitten und ihnen erklären, dass Flexibilität ja für beide Seiten gilt und man nur bereit für das Interview ist, wenn man abwechselnd Fragen stellen darf. Denke die werden darauf eingehen und dürfen anfangen. Dann sagt man etwas nettes über die Welt-Kompakt, die ja keine schlechte Zeitung ist. Anschließend könnte man die beiden folgendes Fragen:
Warum die Springer-Presse so häufig die Liste mit Presserügen anführt?
Ob sich die Zustände bei Springer seit der Recherche von Günter Wallraff gebessert haben?
Warum man bei Springer nicht gelassen auf offensichtliche Fehler reagiert und statt dessen z. B. das BILDblog verklagt?
…
Ich könnte wetten, dass da dann nur geblubber zurückkommt und kein Denkprozess einsetzt. Letztendlich muss man ja auch ziemlich Merkbefreit sein oder gut verdrängen können, um dort zu arbeiten.
Zurück zur Welt-Kompakt: Eine gute informative Zeitung, die ich mir trotzdem niemals kaufen würde. Alter 68er-Schwur: Kein Geld für Springer! Allerdings muss ich zugeben, dass ich die Welt-Kompakt schon am Flughafen oder im Wartezimmer gelesen habe, wenn da ein Exemplar rumlag.