Häufig beschweren wir uns, dass so wenig Wahrheit im Mainstream verbreitet wird, sei es in der Presse oder Politik, doch was ist die Wahrheit überhaupt?
„Die USA sind eine Demokratie.“
Ist dieser Satz falsch oder wahr? Wenn ich den Satz etwas verändere, wie: „Die USA sind die älteste Demokratie der Welt!“, dann würden mir die Schweizer sofort widersprechen und den Satz als Unwahrheit bezeichnen. Nur in der Schweiz wurde das Frauenwahlrecht erst 1971 eingeführt. Wie kann man von der schweizer Demokratie vor 1971 sprechen, wenn dort nicht mal so wichtige demokratische Prinzipien wie die Gleichberechtigung vorhanden waren?
Somit haben wir das Kernproblem herausgearbeitet, um zu entscheiden ob in den USA eine Demokratie herrscht, müssten wir erst einmal den Begriff Demokratie definieren. In den USA wählte man George W. Bush zweimal durch Wahlfälschung an die Macht – wie undemokratisch. Des Weiteren werden Gefangene von den USA gefoltert und das Völkerrecht nicht beachtet.
Trotzdem herrscht in den USA wahrscheinlich eine bessere Demokratie als in Nord-Korea.
Gibt es also keine absolute, sondern nur eine relative Wahrheit?
Für uns im Westen ist es erstaunlich zu hören, dass viele Chinesen glauben sie würden auch in einer Demokratie leben. Deswegen hat es die Demokratie (nach westlichen Maßstäben) so schwer in China. Alle wichtigen politischen Entscheidungen werden in China nämlich nicht von einem Diktator getroffen sondern ganz demokratisch im Zentralkomitee ausdiskutiert.
Wahrheit kann also nur in einem gewissen Kontext oder Wertesystem funktionieren.
Weil China und die USA in einem anderen Wahrheitskontext existieren, werfen sich beide Seiten Menschenrechtsverletzungen vor, sind aber blind gegenüber ihren eigenen Menschenrechtsverletzungen.
Was man glauben will kann die Wahrheit leicht verzerren!
Ich verrate euch mal die Wahrheit über Afghanistan, da hat die NATO nämlich komplett versagt.
- Per Wahlfälschung haben sie einen korrupten Politiker an die Macht gebracht, der mutmaßlich auch mit den Taliban zusammen arbeitet.
- Die afghanischen Polizisten, die die NATO ausgebildet hat, werden von der UNO zahlreicher Menschenrechtsverletzungen beschuldigt und die eigenen Ausbilder sagen, dass sie denen nicht vertrauen würden.
- Frauenrechte wurden nicht gestärkt und Frauen werden schlimmer als vorher unterdrückt und ausgebeutet.
- Bodenschätze hat sich China gesichert.
- NATO-Soldaten haben unzählige unschuldige Zivilisten getötet, mit Leichen gespielt oder sind Amok gelaufen.
- Der Widerstandskampf hat sich durch die NATO-Besatzung ausgebreitet und verstärkt.
Trotzdem bezeichnet die deutsche Regierung den NATO-Einsatz in Afghanistan als vollen Erfolg. Dies ist eine Gehirnsache. Wenn man einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann hält man an ihr fest, selbst wenn man gute Argumente dagegen bekommt. Diese werden ignoriert. Dies hängt hauptsächlich damit zusammen, dass man bereits Ressourcen in die Entscheidung investiert hat und nicht will, dass diese vergeblich waren. So schmeißt man gutes Geld lieber schlechten Entscheidungen hinterher, bevor man sich eingesteht sich falsch entschieden zu haben.
Als die USA in den Irak einmarschieren wollten hatten die Experten Hochkonjunktur, die behauptet haben, dass es Massenvernichtungswaffen im Irak gäbe. Jeder der was anderes behauptet hat wurde als Vrschwörungstheoretiker abgetan. Nach dem Krieg fand man aber keine Beweise für Massenvernichtungswaffen. Da hatte dann aber auch keiner Schuld, weil das Klima damals nun einmal so war, dass die Wahrheit nicht gezählt hat sondern umdefiniert war. So einfach ist das und die toten Iraker hatten leider Pech.
Dann gibt es noch die Wahrheit, die wir alle kennen aber ignorieren, weil es so bequemer ist.
Wir alle wissen, dass die Umwelt durch den Lebensstiel in den westlichen Industriestaaten leidet und dass wegen dem ungelösten Verteilungsproblem täglich Menschen verhungern. Obwohl bei Lidl oder Netto das Personal ausgebeutet wird, wird dort trotzdem weiter eingekauft. Atomkraftwerke sind gefährlich, trotzdem haben nicht alle Menschen auf 100% Ökostrom umgestellt. Es gibt keine Alternative zum Auto obwohl das Erdöl immer teurer wird.
Der Gutmensch denkt jetzt, wenn er überwiegend Fair-Trade und Bio einkauft, seinen Müll trennt und Ökostrom bestellt, hätte er genug getan. Viele denken aber gar nicht darüber nach und wollen alles so billig wie möglich. Andere werden über ihren Minilohn gezwungen nur noch billig einzukaufen. Dabei wissen wir alle, dass die Billigwaren häufig durch Kinderarbeit oder schlechte Umweltstandards überhaupt so billig angeboten werden können. Würden wir die Wahrheit nicht ignorieren, wäre das Ausbeutungssystem der Wirtschaft und Politik nicht möglich.
>““Die USA sind eine Demokratie.” Ist dieser Satz falsch oder wahr?“
Das ist eigentlich ein schlechtes Beispiel, finde ich. Denn Demokratie ist ein sehr schwammiger Begriff. Aber OK – vielleicht ist er auch deshalb trotzdem gerade als Beispiel geeignet, denn letztlich kann man jeden Begriff in Frage stellen, wie ja schon die altgriechischen Sophisten gezeigt haben. Deine Argumentation stellt dann ja auch im weiteren schön heraus, dass Wahrheit Definitionssache ist. Aber auf die Behauptung „Wahrheit ist relativ und niemals absolut“ würde ich mich nicht versteifen. Ich weiss, dass manche Philosophen das anders sehen – aber ich bin der Meinung, es gibt sowohl relative wie auch absolute Wahrheiten. Nur ist die Sprache nicht in der Lage, die absoluten Wahrheiten auch absolut unmißverständlich auszudrücken!
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> „Dies ist eine Gehirnsache. Wenn man einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann hält man an ihr fest, selbst wenn man gute Argumente dagegen bekommt.“
Das ist keine Gehirnsache, das ist eine Führungsstrategie. Sicherlich sind viele „Führungspersönlichkeiten“ allerdings schon so konditioniert, dass sie das automatisch so handhaben…
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> „Es gibt keine Alternative zum Auto obwohl das Erdöl immer teurer wird.“
http://www.youtube.com/watch?v=RF8ajdgdHck (Doku „Warum das Elektroauto sterben musste“)
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>“Würden wir die Wahrheit nicht ignorieren, wäre das Ausbeutungssystem der Wirtschaft und Politik nicht möglich.“
Dass die Umwelt wie auch Menschen leiden, wird ja gar nicht unbedingt ignoriert. Der „Gutmensch“, den du nennst, der ignoriert das ja nicht sondern der tut entweder zu wenig oder das Falsche, manche „Gutmenschen“ tun für ihren Teil vielleicht sogar genug. Wenn er zum Beispiel Ökostrom hat und Fair Trade einkauft UND sein Geld als Ökobauer verdient und sich auch sonst vorbildlich verhält, dann kann man ihm da sicher nicht vorwerfen, irgendwas zu ignorieren. Ich sehe das Problem weniger in einem Ignorieren der Wahrheit sondern in einem Verfälschen und Zerreden der Wahrheit(en).
>> “Dies ist eine Gehirnsache. Wenn man einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann hält man an ihr fest, selbst wenn man gute Argumente dagegen bekommt.”
> Das ist keine Gehirnsache, das ist eine Führungsstrategie. Sicherlich sind viele “Führungspersönlichkeiten” allerdings schon so konditioniert, dass sie das automatisch so handhaben…
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Ich glaube, dass die meisten Politiker und Manager Überzeugungstäter sind, da sie sonst mit ihren Entscheidungen gar nicht leben könnten. Die reden sich ein sie würden das Richtige und Beste tun und verdrängen die Konsequenzen wie getötete Zivilisten in einem Krieg oder Kinderarbeit und Ausbeutung bei der Globalisierung …
>“Ich glaube, dass die meisten Politiker und Manager Überzeugungstäter sind,…“
Glaube ich auch. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es tatsächlich als Grundsatz für Führungspersönlichkeiten gilt, seine Entscheidungen nicht in Frage zu stellen. Sowas lernt man auf Manager-Seminaren. Daher ist es nicht einfach eine schlechte Charaktereigenschaft, die sich mehr oder weniger zufällig vor allem bei Führungspersönlichkeiten finden lässt. Es wird diesen heutzutage sogar beigebracht!
… aber sehr schöner Artikel, btw