Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte in der Universitätsbibliothek Hamburg zur Diskussion über das Urheberrecht eingeladen unter dem Motto: „Urheberrecht und Netzfreiheit – Ein unlösbarer Widerspruch?“
Im Vorfeld vermutete ich, dass dort wie häufig, die Verwerter Werbung machen für eine Verschärfung des Urheberrechts und nur ein Alibigegner eingeladen wurde, der dann fertig gemacht wird. Ich war dann überrascht, dass sich alle Teilnehmer der Diskussionsrunde einig waren, dass das Urheberrecht reformiert und nicht verschärft werden muss, nur über Art und Weise gab es unterschiedliche Meinungen. Dies lag wohl auch daran, dass Thilo von Trott als Vertreter des Verlages Gruner+Jahr erkrankt war und somit nicht anwesend war. Teilweise gab es erschreckte Zwischenrufe, wenn mutmaßlichen Verwertern im Publikum die Reformvorschläge zu radikal erschienen. Die ganze Diskussion wird man in Kürze bei Youtube anschauen können (es gibt dann ein Update). Ich habe nach der Diskussion einige Teilnehmer interviewt und dies werdet ihr euch in der nächsten Folge meines Nerdalert-Urheberrechts-Podcast anhören können.
Im folgenden einige Zitate aus der Diskussionsrunde:
Wulf Beleites:
- Bei der Vorbereitung bin ich auch Klauer gewesen. (Gemeint ist seine Arbeit zur Vorbereitung der Moderation.)
Rüdiger Lühr:
- Verlage stellen Material ohne Fragen ins Internet. Die größten Klauer waren unsere eigenen Verlage.
- Es ist fast ein Schreibverbot, wenn man Verträge nicht akzeptiert.
Prof. Dr. Gabriele Beger:
- Die Juristen beschlossen es gab kein Internet und deswegen konnte man dort keine Rechte verletzen. (Zeit vor den Urheberrechts-Körben)
- Mit Knebelverträgen ist man seine Rechte los.
- Es fehlt eine Verwertungsgesellschaft für Fotos.
- „Copy and Past“ ist so einfach, da merkt niemand wie man das Urheberrecht gerade verletzt hat.
- Wir wollen die Urheberrechte und kein Verwertungsrecht, das die Tarif- und Knebelverträge als Grundsatz hat.
- Den Nutzer könnte man in den Mittelpunkt stellen. Schwarze Scharfe müssen bei der Diskussion aussortiert werden.
- Eine Zeitung im Wissenschaftsbereich kostet €12.000 dazu muss man noch eine Verschwiegenheitserklärung über den Preis abgeben.
- Frei heißt nicht kostenlos. Bei „Open Access“ hat man freien Zugriff aber es kostet die Inhalte dort einzustellen.
- Das Leistungsschutzrecht ist kontraproduktiv!
- Die Kultur beim Journalismus ist eine Andere als bei Open-Source-Entwicklern, wo jeder etwas reinschreiben darf.
- Wie wird kreative Arbeit angemessen entlohnt und dahin müssen wir kommen, dieses Problem zu lösen.
- Im Internet werden Milliardenumsätze gemacht. Die Frage ist jetzt, warum ist nur Google so stinkreich?
- Man muss aber nicht das Internet dafür verantwortlich machen, dass Journalisten in der realen Welt wenig Geld verdienen und im Internet auch. Auf der anderen Seite sollte man sich nicht mit Konzernen solidarisieren, die nur Abkassieren wollen.
- Urheberrecht angemessen vergüten wurde zum zahnlosen Tiger in der Debatte. Wenn Tarife ausgehandelt wurden, galten diese als angemessen. Eine Angemessenheit kann auch gegen Null gehen.
- Stopp-Schilder sind doch Schwachsinn – wir sind doch nicht in China! Wir brauchen freien Zugang zu Informationen.
- Wenn sie eine angemessen Vergütung von Verlagen und anderen Verwertern aushandeln wollen, kommen sie nicht mehr zum Schreiben und deswegen brauchen wir Verwertungsgesellschaften.
- Die Jugend macht keinen Führerschein mehr und kauft sich deswegen auch keine Autos mehr, weil sie es sinnlos findet. Die Wissensgesellschaft geht in die selbe Richtung …
- Studenten blenden Bücher im Literaturverzeichnis komplett aus und verwenden nur die Links.
- Wen ich nicht mehr per Email erreiche, der ist tot. Die Kommunikationswege haben sich total verändert.
- Das Internet macht uns nicht krank, wir haben nur etwas Angst davor. (Aus der Sicht der Verlage gemeint)
Fukami:
- Dinge die man vor 200 Jahren erfunden hat, darf man nicht zum Paradigma einer Gesellschaft im digitalen Zeitalter machen.
- Das Internet ist als Forschungsnetzwerk gestartet, um Wissen zu verbreiten und nicht Urheberrechte zu verletzen.
- Im Urheberrecht gibt es viele Ausnahmen – Beispiel: Software. Man muss alle Urheber mit in die Diskussion reinnehmen und manche haben nicht einmal eine Verwertungsgesellschaft.
- Das Werk sollte im Vordergrund stehen, nicht die Verwertungsrechte.
- Ich habe keine Lösung und viele haben die vollständige Problematik gar nicht verstanden!
- Ein Recht, das von den Leuten nicht akzeptiert wird hat keine Berechtigung. Was soll ein 14-jähriger denn lernen, wenn er abgemahnt wird für etwas das er für ganz normal hält?
Journalistin aus dem Publikum:
- Ein Feature mit vier Wochen Recherche wurde früher mit €3000 entlohnt. Heute sind es €1000 und es steht im Internet. Damit ist es verbrannt und ich kann es nicht weiter verwerten. Deswegen mache ich keine Features mehr, denn Recherche lohnt sich für mich finanziell nicht mehr.
Frage aus dem Publikum:
- Darf man eine Kopie auf einem Kopierer machen, der eine Festplatte enthält oder begeht man dadurch schon eine Urheberrechtsverletzung?
[UPDATE]:
So endlich ist die Diskussion bei YouTube verfügbar. Es wurde kräftig daran rumgeschnippelt und deswegen hat es wohl auch so lange gedauert bis das Video online war. Eine unzensierte Version wird es wohl nicht geben.
Wegen meinem Urheberrechtspodcast Teil 2 muss ich euch noch etwas vertrösten. Der ist noch in der Schnittabteilung und die kann ich wegen ihrer ehrenamtlichen Arbeit nicht zur Eile antreiben. Wer Teil 1 noch nicht kennt, kann sich solange damit trösten und den anhören.
Bitte habt etwas Geduld. Keine Angst da wird nichts zensiert. Bei der letzten Aufzeichnung sind uns aber leider erstaunlich viele Pannen passiert, die nicht zum eigentlichen Thema beitragen. Alle die im Podcast vorkommen und das sind diesmal viele, weil ich viele Interviews vorher aufgezeichnet habe, werden persönlich per Email informiert sobald der Podcast online ist.
Sonderlich auf Zack ist die Heinrich-Böll-Stiftung ja nicht. Brauchen die Tage um ein YouTube-Video hochzuladen? Sind wohl noch nicht richtig in der schnellen Online-Welt angekommen die Offliner Wenigstens ist man in der Blogosphäre immer zeitnah informiert